Laut Bitkom möchten die meisten Unternehmen in digitale Strategien investieren. Dennoch haben nur etwa 44 Prozent der Unternehmen Maßnahmen zu DSGVO umgesetzt. Woran liegt diese Diskrepanz? Tim Cole, Autor und Experte für den digitalen Wandel, ist dieser Frage in seinem Gastbeitrag nachgegangen. Er fordert: Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategie die Vernetzung der IT-Systeme zu Ende bringen!
Alle sprechen heute über Digitalisierung – als wäre sie etwas ganz Neues. Je nach Einstellung und Gemütslage beklagen oder bejubeln Manager in großen wie in kleinen Unternehmen die Chancen oder Risiken der Digitalisierung, verkennen dabei aber das Wesentliche: Digitalisierung alleine verändert nichts!
Erst wenn zur Digitalisierung die Vernetzung hinzukommt, kommen die Dinge auf einmal in Bewegung. In Wahrheit ist die Digitalisierung in fast allen Unternehmen heute bereits weitgehend abgeschlossen! Wo bitte schön gibt es noch Informationen, die nicht in digitalisierter Form vorliegen? In Sachen Vernetzung stehen die meisten aber noch ziemlich am Anfang.
Nicht, dass man nicht viel Geld in digital vernetzte Systeme investiert hätte. Fast jede Abteilung stand irgendwann beim Chef auf der Matte und verlangte unbedingt ein digitales Hilfssystem.
Digitalisierungsstrategie ganzheitlich denken
Das Marketing wollte unbedingt ein CRM (Customer Relationship Management), um das ganze Wissen über die Kunden digital abzubilden. Der Einkauf musste unbedingt ein E‑Procurement haben, um nicht mehr mühsam dicke Bestellkataloge wälzen zu müssen. Der Vertrieb verlangte unbedingt einen Webshop, weil im E‑Commerce gerade die Post abgeht. Und die Fertigung forderte unbedingt die Einführung von SCM (Supply Chain Management), weil sonst irgendwann die Fließbänder stehen und die Konkurrenz davonziehen wird.
Sie alle gingen mit ihrer Wunschliste zur IT. ITler sind in der Regel sehr nette Menschen, und sie tun fast immer das, was man von ihnen verlangt. Aber leider hat niemand gesagt: „Und sorge bitte dafür, dass die Informationen in diesem schönen neuen System überall im Unternehmen verfügbar sind!“
Vernetzung von Systemen eine Frage der IT
Nun, aufdrängen tun sich ITler nicht gerne. Also haben sie das getan, was man ihnen aufgetragen hat – mehr nicht. Außerdem: Wer hätte das bezahlen sollen? Etwa die Abteilung, die den Auftrag gegeben hat? Sie hat doch am allerwenigsten davon. Aus welchem Topf soll das Geld also kommen? Unser Budget ist ja schon bis hintenhin ausgereizt!
Als Ergebnis ist Stückwerk herausgekommen, und das in fast jedem Unternehmen! Im CRM schlummern Datenschätze, die dringend von den Kollegen im Vertrieb, in der Produktentwicklung oder im Beschwerdemanagement benötigt würden. Die Daten aus dem E‑Procurement würden den Kollegen in der Fertigung helfen, ihr SCM-System gezielter einzusetzen – wenn sie doch nur darauf zugreifen könnten! Und ist der schöne neue Webshop wirklich mit der Warenwirtschaft und dem Lagersystem verbunden, so dass es gar nicht vorkommen kann, dass ein Kunde online etwas bestellt, was gerade nicht lieferbar ist?
Hand aufs Herz: Wenn Sie genau hinschauen, sieht es bei Ihnen im Unternehmen nicht viel anders aus. Überall klemmt es: Kompatibilitätsprobleme, unterschiedliche Datenformate, fehlende Verbindungen, hausinterne Firewalls. Immer wieder müssen bereits digitalisierte Informationen schlimmstenfalls ausgedruckt, bearbeitet und irgendwo anders wieder eingegeben werden. Menschen sind aber fehlbar, und Handarbeit ist nicht billig. Aber weil viele Unternehmen, zumindest vernetzungstechnisch, noch in der digitalen Steinzeit stecken, sind Fehler und Zusatzkosten unvermeidbar.
Sind Ihre Informationen am richtigen Ort?
Aber verspricht uns die Computerbranche nicht seit vielen Jahren die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort? „Right Information, Right Time, Right Place“: Wissen Sie noch? Das war jahrelang der Werbeslogan von IBM. Wir Älteren erinnern uns noch …
Aber es kommt noch schlimmer! Alle reden heute über das „Internet der Dinge“ und über „Smart Factories“. Sie träumen von einer Welt, in der alles mit allem vernetzt ist, in der sich Maschinen miteinander unterhalten und Produktionsprozesse selbstgesteuert ablaufen.
Wie soll das bitte schön funktionieren, wenn nicht einmal die elementarsten Informationssysteme in unserem Unternehmen untereinander vernetzt sind? Für die aktuelle Generation von Managern ist die Aufgabe klar: Sie müssen die Vernetzung zu Ende führen! Das wird sie wahrscheinlich bis zu ihrer Pensionierung auf Trab halten.
Digitalisierungsstrategie: IT macht alles möglich
Wer nicht weiß, wie das gehen soll, der muss nur diejenigen fragen, die jeden Tag mit den Systemen umgehen müssen: die Sachbearbeiter, die Leute am Band, die Außendienstler, die über ihre Laptops fluchen, weil sie die entscheidende Information, die ihnen für den Kundenabschluss fehlt, einfach nicht aus dem verfluchten System herausbekommen!
Sie müssen das alles aufschreiben und mit der Liste in der Hand zur IT gehen. Wie gesagt: ITler sind nette Menschen. Wenn man sie lieb bittet, dann machen sie fast alles möglich …