Wie wird die Digitalisierung unsere Arbeitswelt verändern? Was zeichnet das Büro der Zukunft aus? Dr. Stefan Rief von Fraunhofer IAO riskiert in seinem Gastbeitrag einen Blick in die Zukunft der Wissensarbeit.
Die Qualität der Arbeit hat sich drastisch verändert. Produktion an zentralen Standorten findet zunehmend in Billiglohnländern statt, während die Arbeit in den westlichen Ländern durch Wissensarbeit geprägt ist, z. B. in Form von Planungs‑, Design- oder Konstruktionsleistungen. Aber gerade diese für uns so wichtigen Arbeitsinhalte und ‑aufgaben geraten durch ihren „immateriellen“ Charakter immer stärker in die globale Konkurrenz. Das bedeutet, dass auch „geistige“ Leistungen vergleichbar werden, inhaltlich und preislich. Diese Entwicklung bietet aber auch Chancen für Unternehmen und ihre Mitarbeiter – allerdings wird uns eine hohe Agilität, geistig und räumlich abverlangt. Für Unternehmen bedeutet das, einfacher länderspezifische und regionale Rahmenbedingungen in ihre Produkte und Dienstleistungen integrierten zu können. Für Mitarbeiter hingegen besteht die Chance, ihren Lebensmittelpunkt nicht nach dem Sitz des Unternehmens wählen zu müssen.
Mobilität birgt auch Gefahren
Jedoch ist es wichtig festzustellen, dass neben den Chancen des mobilen Arbeitens auch Gefahren existieren, insbesondere für den einzelnen Mitarbeiter. Die räumliche Nähe zu den Kollegen und Kolleginnen und Führungspersönlichkeiten, wie sie im „normalen Büro“ gegeben ist, erleichtert das Knüpfen verlässlicher Netzwerke in der Organisation. Mitarbeiter, die kontinuierlich alleine und dezentral z. B. in Home-Office arbeiten, laufen Gefahr sich isoliert zu fühlen. Gleichzeitig ist das Fehlen der Kollegen, bei denen man mal kurz etwas nachfragen oder mit denen man sich beiläufig über einen Sachverhalt austauschen kann, ein Stressfaktor, denn man ist weitgehend auf sich selbst angewiesen – ganz besonders stark wirkt diese Aspekt als „Alleinunternehmer“. Auch deswegen ist der Zulauf zu sogenannten Co-Working Centern zu erklären in denen Freelancer neben- und miteinander arbeiten. Das Gefühl, jemanden fragen zu können, wen man nicht weiter weiß, ist ungemein wichtig und wird eben noch immer gut durch die physische Nähe ermöglicht. Vertrauen ist die Voraussetzung für zielführende Kommunikation. Teilweise ist das über digitale, soziale Netzwerke möglich.
Arbeitswelt 4.0
In unserem Verbundforschungsprojekt OFFICE 21 erforschen wir derzeit sogenannte Shared Offices. Dabei handelt es sich um Arbeitsräume, die sich Mitarbeiter und Freelancer aus verschiedensten Unternehmen und Professionen teilen. Insbesondere für dezentrale Mitarbeiter scheinen diese enorme Vorteile aufzuweisen: Sie geben Sicherheit im Hinblick auf wechselseitige Unterstützung und sie erweitern das persönliche Netzwerk jenseits des Unternehmens für das man arbeitet. Sie wirken zugleich inspirierend, motivierend und lernfördernd. Unternehmen müssen vor allem ihre Führungskräfte sensibilisieren, Mitarbeiter und Kollegen bei ihrem individuellen Umgang mit den neuen Möglichkeiten der Arbeitswelt zu unterstützen – das kann auch manchmal heißen, den einen oder anderen Kollegen für eine gewisse Zeit aus dem Homeoffice wieder zurück ins Unternehmen zu holen. Diese Entwicklungen werden weiter zunehmen. Zukünftig werden wir eine Arbeitswelt erleben, in der wir unsere individuellen Lebensentwürfe gut umsetzen können, weil das zur notwendigen Kreativität und Leistungsbereitschaft beiträgt – deswegen werden auch Unternehmen diese neuen Formen der Arbeitsgestaltung unterstützen.
Wir haben hierzu ein Szenario entwickelt, das man hier in Form eines Videos einsehen kann. Darin gehen wir davon aus, dass sich zwei polare Modelle bei den Unternehmen bilden werden. Unternehmen, die sehr stark auf eine enge Bindung ihrer Mitarbeiter setzen, werden mit eingespielten Prozessen auf Veränderungen schnell antworten können, da sie auch in guten konjunkturellen Zeiten die erforderlichen Qualifikationen an Bord haben. Auf der anderen Seite werden wir tatsächlich Unternehmen erleben, die sehr stark auf projektbezogene, freie Mitarbeiter setzen. Ich bin überzeugt, dass aber nicht nur Freelancer ihre Leistungen auf Portalen anbieten, sondern dort auch die Verlässlichkeit und Fairness ihrer Auftraggeber bewerten. Daran zeigt sich: Eine zunehmend flexiblere Arbeitswelt wirkt sich auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus. Und damit auf uns alle.
Der Autor Stefan Rief leitet das Competence Center Workspace Innovation des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und erforscht Lösungen für nachhaltige Arbeits- und Bürokonzepte.