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Können Sie diese danach auswendig wiedergeben? Wenn Sie jetzt sagen, „unmöglich”, sind Sie nicht allein. Dennoch gibt es Menschen, die eine derartige Gedächtnisleistung vollbringen können. Einer davon ist Gedächtnisweltmeister Johannes Mallow, der sich in fünf Minuten sogar Zahlen mit 504 Ziffern merken kann. Im Interview verrät er Tricks, mit denen jeder die Merkfähigkeit des Gehirns verbessern kann und erklärt, warum selbst er noch Dokumente als Unterstützung benötigt, um Dinge im Kopf zu behalten.
smart: Herr Mallow, Sie können sich hunderte Ziffern innerhalb weniger Minuten merken. Brauchen Sie überhaupt noch Dokumente oder Notizen, um Dinge im Kopf zu behalten?
Johannes Mallow (lacht): Ja, ich brauche noch Stift und Papier. Ich vergesse viele Dinge und weiß am Morgen nicht mehr, wo ich am Vorabend den Haustürschlüssel hingelegt habe. Wirklich einprägen kann ich mir Dinge nur, wenn ich mich bewusst darauf konzentriere. Ist man mit seinen Gedanken woanders, fällt „behalten” schwer. Das werden vermutlich viele Menschen bestätigen. Denn das Gedächtnis ist davon abhängig, dass man sich im „Hier und Jetzt” befindet.
smart: Dennoch scheint ihr Gedächtnis besser zu sein, als das vieler anderer Menschen. Schließlich waren Sie Gedächtnisweltmeister?
Mallow: Das stimmt, aber das liegt nicht daran, dass ich mit einer Gabe geboren wurde. Vielmehr ist mein Können das Resultat von intensiven Trainings. Ursprünglich bin ich eher durch Zufall zu diesem Gedächtnissport gekommen: Ich habe 2003 eine TV-Show gesehen, in der sich Verona Poth eine 20-stellige Zahl innerhalb der Sendung gemerkt hat. Da dachte ich: „Das kannst du auch.” Anschließend habe ich mich intensiver mit dem Thema „Gedächtnis” auseinandergesetzt, bin dem „Memory XL”-Verein beigetreten, habe regelmäßig trainiert und angefangen an Meisterschaften teilzunehmen. Dieser Weg fand mit dem Sieg bei der Weltmeisterschaft 2012 in London seinen Höhepunkt.
smart: Das heißt also, jeder kann seine Merkfähigkeit verbessern?
Mallow: Genau, der Schlüssel zu einem guten Gedächtnis sind Geduld und viel Training. Eine besondere Gabe braucht es dazu nicht. Jeder Mensch kann durch einfache Übungen sein Gedächtnis schnell verbessern.
smart: Wie trainieren Sie denn Ihr Gedächtnis?
Mallow: Es gibt verschiedene Techniken, Übungen und Trainingsmethoden. Vor allem vor Turnieren übe ich täglich circa zwei Stunden, schaue mir Zahlenkombinationen oder Namen an und präge mir diese ein. Ich merke mir dann zum Beispiel eine 80-stellige Zahl innerhalb weniger Sekunden. Prinzipiell gibt es zwei sehr gute Methoden zum Verbessern des Gedächtnisses, die auch jeder selbst testen kann: Die Geschichten-Methode und die Loci-Methode. Beide beruhen auf dem Prinzip der Verbildlichung.
smart: Können Sie das genauer erläutern?
Mallow: Bei der Geschichten-Methode geht es darum, verschiedene Elemente in eine fortlaufende Geschichte einzubauen, die sich deutlich besser memorieren lässt. Diese Geschichte muss nicht logisch oder gut sein, sie muss die Begriffe nur in einen Zusammenhang bringen. Ein Beispiel wäre: Sie möchten sich Ihre To-dos für den Tag einprägen: zum Zahnarzt gehen, Brot und Milch kaufen, Oma besuchen. Das können Sie in eine Geschichte packen: Ich gehe zum Zahnarzt und der zieht mir einen riesigen Milchzahn aus Brot, den ich meiner Oma schenke. Das Verbildlichen hilft dabei enorm: Neben Geschichten kann sich das Gehirn in der Regel auch Bilder gut einprägen. Es hilft also, sich wichtige Dinge in Bildern vorzustellen. Ein weiteres Beispiel: Viele Menschen haben Probleme, sich Namen zu merken. Anstatt mir den Namen Andreas Schmidt zu merken, stelle ich mir „Andreas” vor einem Andreaskreuz vor und „Herr Schmidt” steht in seiner Werkstatt und schmiedet Eisen.
smart: Gut, aber eine 80-Stellige Zahl ist auch mit diesen Methoden schwer zu behalten?
Mallow: Das ist richtig. Hier eignet sich die wohl effektivste Methode für ein besseres Gedächtnis: Die Loci-Methode. Stellen Sie sich hierzu Ihre Wohnung vor und legen sie einen Weg durch ihre Wohnung fest. Durch die Haustür, zur Garderobe, auf den Sessel, ins Wohnzimmer und so weiter. Mit diesen Orten in Ihrer Wohnung, verbinden Sie dann die Dinge, die Sie sich merken möchten. Ein Beispiel: Auf Ihrer Einkaufsliste stehen Schokolade, Bier und Toilettenpapier. Dann stellen Sie sich vor, dass Ihre Haustüre aus Schokolade besteht, an Ihrer Garderobe Bierflaschen „aufgespießt” sind und ihr geliebter Sessel in Toilettenpapier eingewickelt ist. Im Supermarkt laufen Sie dann mental durch Ihre Wohnung: Durch die Schokoladen-Haustüre, an die Bier-Garderobe bis zum Toilettenpapier-Sessel. Mit ein bisschen Übung können Sie sich dann auch längere Zahlen – wenn Sie dies denn möchten – merken.
smart: Wäre das Gehirn mit diesen Methoden dazu fähig, sich alles zu merken? Ganz ohne Stift und Papier?
Mallow: Das ist schwer zu beantworten. Wegen der täglichen Überflutung mit unterschiedlichsten Reizen, stelle ich mir das aber schwierig vor. Einprägen funktioniert nur, wenn man Dinge bewusst wahrnimmt. Prinzipiell ist das Gehirn aber schon zu vielem fähig.
smart: Also braucht es auch weiterhin Dokumentation mit Stift und Papier?
Mallow: Ja. Dokumente haben ja auch viele Vorteile. Sie helfen mir, Informationen schneller mit vielen Menschen zu teilen. Außerdem bringen Sie noch einen weiteren großen Vorteil mit sich: Wenn ich mir etwas aufschreibe, egal ob digital oder handschriftlich, dann muss ich meine Gedanken strukturieren. Ich glaube also, dass dokumentieren sehr wichtig für die Struktur und Ordnung der Gedanken ist. Dokumentation ist und bleibt eine wichtige Hilfe.