Kommt das papier­lose Büro? Ein Kommentar!

1. Juli 2015
Kommt das papier­lose Büro? Wel­che Rolle spielt Papier im digi­ta­len Zeit­al­ter? Tho­mas Kuhn von der Wirt­schafts­wo­che mit einem Kom­men­tar zur Rolle des Papiers.

Als ich in den Acht­zi­ger­jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts beschloss, Jour­na­list zu wer­den, wurde die damals revo­lu­tio­näre Vision künf­tig papier­lo­ser Büros heiß dis­ku­tiert. Damals arbei­te­ten in Ver­la­gen noch Set­zer, Men­schen, die an rie­si­gen Setz­ma­schi­nen Druck­zei­len aus Blei pro­du­zier­ten, die dann zu Arti­keln mon­tiert die Vor­la­gen der Zei­tungs­sei­ten wurden.

Papier­ar­mes Arbeiten

Set­zer gibt es längst nicht mehr. Druck­wal­zen für Zei­tun­gen und Maga­zine wer­den, ähn­lich wie Foto­pa­pier, belich­tet. Und wie lange das noch so ist, wage ich nicht zu wet­ten. Ich selbst publi­ziere längst so viel rein digi­tal im Inter­net, wie von mei­nen Arti­keln noch auf Papier gedruckt wird. Nur das papier­lose Büro ist bis heute nicht Rea­li­tät gewor­den. Im Gegen­teil, wir dru­cken, nach Berech­nun­gen des Ver­bands Deut­scher Papier­fa­bri­ken mit 244 Kilo­gramm pro Kopf und Jahr sogar noch knapp 40 Pro­zent mehr als 1985. Damals, vor Beginn der Inter­net-Ära, waren es 177 Kilogramm.

Hat sich die Vision damit über­holt? Kei­nes­wegs, so absurd das ange­sichts der beschrie­be­nen Papier­flut klin­gen mag. Tat­säch­lich näm­lich ist die Menge der geteil­ten Infor­ma­tio­nen seit den Acht­zi­gern um ein Viel­fa­ches schnel­ler gewach­sen als die Menge des bedruck­ten Papiers. Die Digi­ta­li­sie­rung des Geschäfts­le­bens, der elek­tro­ni­sche Geschäfts­ver­kehr und die Abbil­dung kom­ple­xer Geschäfts­pro­zesse im e‑Business bis hin zur Schaf­fung und Füh­rung nahezu kom­plett vir­tu­el­ler Unter­neh­men – all das wäre ohne eine in immer grö­ße­rem Maße digi­tale Ver­ar­bei­tung von Infor­ma­tio­nen und Doku­men­ten gar nicht denkbar.

Funk­tion von Papier ändert sich

Nur brau­chen die immer öfter nicht Papier als Trä­ger­me­dium. An seine Stelle tre­ten intel­li­gen­tes Infor­ma­ti­ons­ma­nage­ment und smarte Soft­ware, die dem Nut­zer hel­fen, in den Daten- und Doku­men­ten­ber­gen rele­vante Fak­ten zu fin­den und geschäfts­kri­ti­sche Zusam­men­hänge zu ver­ste­hen. Oder, wie es – pas­send zum IT-Begriff „Data Mining“ – so schön heißt, das „Gold in den Daten zu fin­den“. Unter­neh­men dafür fit zu machen, ihre Pro­zesse so anzu­pas­sen, dass rele­vante Infor­ma­tio­nen schnell und sicher iden­ti­fi­ziert und bear­bei­tet wer­den kön­nen – das ist eine immense Auf­gabe. Und sie wird für die meis­ten Unter­neh­men zukunfts­kri­tisch in einer Wirt­schaft, in der Stra­te­gie- und Pro­duk­ti­ons­ent­schei­dun­gen in immer kür­ze­ren Zeit­räu­men hin­ter­fragt und revi­diert wer­den müssen.

Die Frage ob es dafür noch Papier braucht, und wie viel, ist gar nicht mehr ent­schei­dend. Ganz sicher aber, ob die rich­tige Infor­ma­tion, zum rich­ti­gen Moment ver­füg­bar ist. Des­halb übri­gens glaube ich auch, dass Jour­na­lis­mus zwar ohne Set­zer und wohl bald ohne Papier aus­kommt. Die Funk­tion aber, aus der wach­sen­den Nach­rich­ten­flut, die wich­ti­gen Fak­ten zu destil­lie­ren, die ist vor­erst nicht zu erset­zen. In den Medien so wenig, wie in jedem ande­ren Unternehmen.