Christian Pudzich
1. September 2021

Wie pas­sen Öko­no­mie und Öko­lo­gie zusam­men? Lässt sich die Wirt­schaft nach­hal­tig umbauen? Unser Gast­au­tor Mar­kus Gürne, Res­sort­lei­ter der ARD-Bör­sen­re­dak­tion, meint ja. Denn mit Nach­hal­tig­keit lässt sich nicht nur Geld ver­die­nen, son­dern durch Inno­va­tio­nen auch die Zukunft gewinnen. 

Ein Mäd­chen in Schwe­den, das alleine mit einem selbst gebas­tel­ten Schild mit der Auf­schrift: “Skol­strejk för Kli­ma­tet” –Schul­streik für den Kli­ma­schutz vor dem Par­la­ment in Schwe­den pro­tes­tierte ist das Sym­bol für Mil­lio­nen welt­weit gewor­den-Greta Thun­berg. Aus dem­Pro­test wurde eine Bewe­gung. Nicht mehr nur frei­tags und nicht mehr nur zu Kund­ge­bun­gen, son­dern auch im Netz. In den so genann­ten sozia­len Medien und auch im Bewusst­sein der Öffent­lich­keit. In der Poli­tik und auch in der Wirtschaft.

Ver­ehrt von den einen, gehasst von den ande­ren. Trotz aller Kri­tik haben Demonstrant*innen, die immer mehr und auch zuneh­mend älter wur­den, bei „Fri­days for Future“ seit 2018 viel bewegt. Das Thema Kli­ma­schutz und die Bedeu­tung einer wirk­lich nach­hal­ti­gen Wirt­schaft rückte mit hoher Sicht­bar­keit und Druck in den Mit­tel­punkt des öffent­li­chen Bewusst­seins. Auf den Stra­ßen bei den wöchent­li­chen Demons­tra­tio­nen, in den Kanä­len von Social Media, in Talk-Sen­dun­gen, in Zei­tun­gen. Immer mehr, bei­nahe täglich.

Die ers­ten Chef­eta­gen der Unter­neh­men nah­men sich des The­mas an. Einige frei­wil­lig, andere wohl nur, weil der Druck so groß wurde, dass sich nie­mand mehr dage­gen weh­ren oder sogar stel­len konnte. Der Druck der Straße ist die eine Seite, der Druck des Kapi­tals die andere, noch nicht so beach­tete, Seite einer Medaille. Denn Öko­no­mie und Öko­lo­gie gehö­ren zusammen.

Nach­hal­ti­ger Umbau der Wirt­schaft bie­tet Wachstumschancen

Wer näm­lich nichts im Boden hat, muss es im Kopf haben. Ein Land ohne Roh­stoffe braucht eine Bevöl­ke­rung, die den Zusam­men­hang von Poli­tik, Wirt­schaft und Finan­zen ver­steht. Des­halb ist Finanz­bil­dung sehr wich­tig – jetzt umso mehr. Die Zusam­men­hänge zwi­schen Öko­lo­gie und Öko­no­mie zu ver­ste­hen, ist wesent­lich für den Umbau der Wirt­schaft hin zu einer Öko­no­mie und Gesell­schaft, die kli­ma­freund­lich und im bes­ten Fall kli­ma­neu­tral pro­du­ziert und ent­spre­chende Pro­dukte her­stellt. Und sich gut Chan­cen erar­bei­tet, Vor­rei­ter zu sein.

Im Kapi­ta­lis­mus geht es ohne Wachs­tum nicht. Und im nach­hal­ti­gen Umbau der Wirt­schaft lie­gen Wachs­tums­chan­cen. Um diese zu erken­nen und zu heben, braucht es Risi­ko­ka­pi­tal. Wenn es in Deutsch­land an etwas nicht man­gelt, dann an Kapi­tal. Nur wer es ein­zu­set­zen ver­mag und Inno­va­tio­nen för­dert, also den Druck des Kapi­tals nutzt, um Unter­neh­men Geld zur Ver­fü­gung zu stel­len, die sich auf den Weg machen, um Öko­no­mie und Öko­lo­gie zu ver­bin­den, kann Kli­ma­schutz betrei­ben. Oder Fir­men Geld ent­zie­hen, die sich dem Umden­ken ver­wei­gern. Viele Wert­pa­pier­häu­ser­for­dern neue Lösun­gen für eine kli­ma­freund­li­che oder gar kli­ma­neu­trale Ände­rung der Geschäfts­mo­delle, weil sie sonst Gel­der Ihrer Kun­den nicht mehr in diese Unter­neh­men inves­tie­ren können.

Finan­ziert Öko­no­mie Ökologie?

Auch Groß­in­ves­to­ren schwen­ken um und ent­de­cken die Nach­hal­tig­keit neu. In vie­len Finanz­pro­duk­ten taucht das Wort nun auf – auf eng­lisch. Sus­taina­bi­lity. Die­ser Begriff ist eine Marke gewor­den, die Zuflüsse von Gel­dern stei­gen kon­ti­nu­ier­lich. Am Anfang stan­den Exo­ten. Anbie­ter, die nach ethi­schen Grund­sät­zen Gel­der anleg­ten. Nicht in Waf­fen, in Atom­kraft oder Pro­dukte aus Kin­der­ar­beit inves­tie­ren woll­ten. Auch kirch­lich ori­en­tierte Anle­ger gin­gen so vor.

Mitt­ler­weile hat sich die­ser Trend deut­lich in die Breite der Gesell­schaft und auch der Anbie­ter aus­ge­wei­tet. Ver­si­che­run­gen sind ebenso ein­ge­stie­gen wie Wert­pa­pier­häu­ser, Pen­si­ons­fonds oder auch Stif­tun­gen. Nie­mand mehr kann an Kli­ma­schutz und Nach­hal­tig­keit vor­bei­kom­men, oder es sich leis­ten das zu tun. Außer­dem gibt ein wun­der­bar ver­bin­den­des Ele­ment zwi­schen Öko­no­mie und Öko­lo­gie: Die Rendite.

Nach­hal­tige Pro­dukte und Dienst­leis­tun­gen boomen

Es kommt aber noch ein Punkt hinzu. Die Not­wen­dig­keit, es zu tun. Unter­neh­men und auch große Inves­to­ren sind ebenso betrof­fen vom Kli­ma­wan­del wie alle ande­ren Berei­che der Gesell­schaft. Sie lei­den unter Wet­ter­ex­tre­men ebenso wie alle ande­ren. Wenn durch kli­ma­ti­sche Ver­än­de­run­gen Geschäfts­mo­delle nicht mehr funk­tio­nie­ren oder die Kos­ten enorm stei­gen, dann hat das auch Aus­wir­kun­gen auf die Erträge. Daher müs­sen Risi­ken mini­miert wer­den, um auch in Zukunft noch Erträge zu erwirtschaften.

Und die Risi­ken aus dem Kli­ma­wan­del sind für Unter­neh­men eine Größe, mit der sie rech­nen müs­sen. Denn es geht auch an die­ser Stelle um viel Geld. Und um eine Abwä­gung des Risi­kos. Kli­ma­schutz ist kein Trend mehr, son­dern eine harte Größe für die Berech­nung eines Geschäftsmodelles.

Wirt­schaft­li­ches Risiko: Klimawandel

Auch die Börse hat dem Grad­mes­ser, dem deut­schen Akti­en­in­dex DAX, einen nach­hal­ti­gen Index zur Seite gestellt. Den ESG-DAX, in dem Unter­neh­men zusam­men­ge­fasst sind,die diese Kri­te­rien erfül­len und der als Reak­tion auf den Druck der Anleger*innen und auch der Gesell­schaft gedeu­tet wer­den kann, mehr “grü­nes” Kapi­tal inves­tie­ren zu wol­len. Auf diese Weise finan­ziert Öko­no­mie Öko­lo­gie. Und hilft sogar noch dabei, Wohl­stand zu erhal­ten und mehren.

Denn durch gesell­schaft­li­chen und mone­tä­ren Druck stei­gen die Bemü­hun­gen in Unter­neh­men noch mehr an, auf den Märk­ten, auf denen nach­hal­tige Pro­dukte aus kli­ma­neu­tra­ler Pro­duk­tion beson­ders gefragt sind, erfolg­reich zu sein. Diese Nach­frage steigt bereits seit eini­ger Zeit an. Wer Kli­ma­schutz ernst meint, kommt an der Wirt­schaft nicht vor­bei, son­dern sollte erken­nen, dass sich beide bedin­gen. Öko­no­mie und Öko­lo­gie müs­sen zusam­men gedacht und betrach­tet wer­den. Sie gehö­ren zusammen.

Der Autor: Mar­kus Gürne

Mar­kus Gürne, Res­sort­lei­ter der ARD-Börsenredaktion.

Mar­kus Gürne ist Res­sort­lei­ter der ARD-Bör­sen­re­dak­tion. Im Wech­sel mit Anja Kohl berich­tet er in “Börse vor Acht” über die Finanz­märkte und das Gesche­hen an der Frank­fur­ter Börse. Im Januar 2013 über­nahm er zusätz­lich beim ARD-Wirt­schafts­ma­ga­zin „Plus­mi­nus“ die Mode­ra­tion der hr-Aus­ga­ben. Seit 2016 mode­riert er das „Forum Wirt­schaft“ bei phoe­nix, das wich­tigste Dis­kus­si­ons­for­mat für Wirt­schafts­the­men. Zuvor war Mar­kus Gürne Aus­lands­kor­re­spon­dent der ARD. Für die her­vor­ra­gende Wirt­schafts­be­richt­erstat­tung in Corona-Zei­ten erhielt er 2020 zusam­men mit Mar­cus Nie­ha­ves den Ernst-Schneider-Sonderpreis.

Exper­ten­talk: Wie nach­hal­tig ist Büroarbeit?

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