Wie passen Ökonomie und Ökologie zusammen? Lässt sich die Wirtschaft nachhaltig umbauen? Unser Gastautor Markus Gürne, Ressortleiter der ARD-Börsenredaktion, meint ja. Denn mit Nachhaltigkeit lässt sich nicht nur Geld verdienen, sondern durch Innovationen auch die Zukunft gewinnen.
Ein Mädchen in Schweden, das alleine mit einem selbst gebastelten Schild mit der Aufschrift: “Skolstrejk för Klimatet” –Schulstreik für den Klimaschutz vor dem Parlament in Schweden protestierte ist das Symbol für Millionen weltweit geworden-Greta Thunberg. Aus demProtest wurde eine Bewegung. Nicht mehr nur freitags und nicht mehr nur zu Kundgebungen, sondern auch im Netz. In den so genannten sozialen Medien und auch im Bewusstsein der Öffentlichkeit. In der Politik und auch in der Wirtschaft.
Verehrt von den einen, gehasst von den anderen. Trotz aller Kritik haben Demonstrant*innen, die immer mehr und auch zunehmend älter wurden, bei „Fridays for Future“ seit 2018 viel bewegt. Das Thema Klimaschutz und die Bedeutung einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft rückte mit hoher Sichtbarkeit und Druck in den Mittelpunkt des öffentlichen Bewusstseins. Auf den Straßen bei den wöchentlichen Demonstrationen, in den Kanälen von Social Media, in Talk-Sendungen, in Zeitungen. Immer mehr, beinahe täglich.
Die ersten Chefetagen der Unternehmen nahmen sich des Themas an. Einige freiwillig, andere wohl nur, weil der Druck so groß wurde, dass sich niemand mehr dagegen wehren oder sogar stellen konnte. Der Druck der Straße ist die eine Seite, der Druck des Kapitals die andere, noch nicht so beachtete, Seite einer Medaille. Denn Ökonomie und Ökologie gehören zusammen.
Nachhaltiger Umbau der Wirtschaft bietet Wachstumschancen
Wer nämlich nichts im Boden hat, muss es im Kopf haben. Ein Land ohne Rohstoffe braucht eine Bevölkerung, die den Zusammenhang von Politik, Wirtschaft und Finanzen versteht. Deshalb ist Finanzbildung sehr wichtig – jetzt umso mehr. Die Zusammenhänge zwischen Ökologie und Ökonomie zu verstehen, ist wesentlich für den Umbau der Wirtschaft hin zu einer Ökonomie und Gesellschaft, die klimafreundlich und im besten Fall klimaneutral produziert und entsprechende Produkte herstellt. Und sich gut Chancen erarbeitet, Vorreiter zu sein.
Im Kapitalismus geht es ohne Wachstum nicht. Und im nachhaltigen Umbau der Wirtschaft liegen Wachstumschancen. Um diese zu erkennen und zu heben, braucht es Risikokapital. Wenn es in Deutschland an etwas nicht mangelt, dann an Kapital. Nur wer es einzusetzen vermag und Innovationen fördert, also den Druck des Kapitals nutzt, um Unternehmen Geld zur Verfügung zu stellen, die sich auf den Weg machen, um Ökonomie und Ökologie zu verbinden, kann Klimaschutz betreiben. Oder Firmen Geld entziehen, die sich dem Umdenken verweigern. Viele Wertpapierhäuserfordern neue Lösungen für eine klimafreundliche oder gar klimaneutrale Änderung der Geschäftsmodelle, weil sie sonst Gelder Ihrer Kunden nicht mehr in diese Unternehmen investieren können.
Finanziert Ökonomie Ökologie?
Auch Großinvestoren schwenken um und entdecken die Nachhaltigkeit neu. In vielen Finanzprodukten taucht das Wort nun auf – auf englisch. Sustainability. Dieser Begriff ist eine Marke geworden, die Zuflüsse von Geldern steigen kontinuierlich. Am Anfang standen Exoten. Anbieter, die nach ethischen Grundsätzen Gelder anlegten. Nicht in Waffen, in Atomkraft oder Produkte aus Kinderarbeit investieren wollten. Auch kirchlich orientierte Anleger gingen so vor.
Mittlerweile hat sich dieser Trend deutlich in die Breite der Gesellschaft und auch der Anbieter ausgeweitet. Versicherungen sind ebenso eingestiegen wie Wertpapierhäuser, Pensionsfonds oder auch Stiftungen. Niemand mehr kann an Klimaschutz und Nachhaltigkeit vorbeikommen, oder es sich leisten das zu tun. Außerdem gibt ein wunderbar verbindendes Element zwischen Ökonomie und Ökologie: Die Rendite.
Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen boomen
Es kommt aber noch ein Punkt hinzu. Die Notwendigkeit, es zu tun. Unternehmen und auch große Investoren sind ebenso betroffen vom Klimawandel wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft. Sie leiden unter Wetterextremen ebenso wie alle anderen. Wenn durch klimatische Veränderungen Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren oder die Kosten enorm steigen, dann hat das auch Auswirkungen auf die Erträge. Daher müssen Risiken minimiert werden, um auch in Zukunft noch Erträge zu erwirtschaften.
Und die Risiken aus dem Klimawandel sind für Unternehmen eine Größe, mit der sie rechnen müssen. Denn es geht auch an dieser Stelle um viel Geld. Und um eine Abwägung des Risikos. Klimaschutz ist kein Trend mehr, sondern eine harte Größe für die Berechnung eines Geschäftsmodelles.
Wirtschaftliches Risiko: Klimawandel
Auch die Börse hat dem Gradmesser, dem deutschen Aktienindex DAX, einen nachhaltigen Index zur Seite gestellt. Den ESG-DAX, in dem Unternehmen zusammengefasst sind,die diese Kriterien erfüllen und der als Reaktion auf den Druck der Anleger*innen und auch der Gesellschaft gedeutet werden kann, mehr “grünes” Kapital investieren zu wollen. Auf diese Weise finanziert Ökonomie Ökologie. Und hilft sogar noch dabei, Wohlstand zu erhalten und mehren.
Denn durch gesellschaftlichen und monetären Druck steigen die Bemühungen in Unternehmen noch mehr an, auf den Märkten, auf denen nachhaltige Produkte aus klimaneutraler Produktion besonders gefragt sind, erfolgreich zu sein. Diese Nachfrage steigt bereits seit einiger Zeit an. Wer Klimaschutz ernst meint, kommt an der Wirtschaft nicht vorbei, sondern sollte erkennen, dass sich beide bedingen. Ökonomie und Ökologie müssen zusammen gedacht und betrachtet werden. Sie gehören zusammen.
Der Autor: Markus Gürne
Markus Gürne ist Ressortleiter der ARD-Börsenredaktion. Im Wechsel mit Anja Kohl berichtet er in “Börse vor Acht” über die Finanzmärkte und das Geschehen an der Frankfurter Börse. Im Januar 2013 übernahm er zusätzlich beim ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ die Moderation der hr-Ausgaben. Seit 2016 moderiert er das „Forum Wirtschaft“ bei phoenix, das wichtigste Diskussionsformat für Wirtschaftsthemen. Zuvor war Markus Gürne Auslandskorrespondent der ARD. Für die hervorragende Wirtschaftsberichterstattung in Corona-Zeiten erhielt er 2020 zusammen mit Marcus Niehaves den Ernst-Schneider-Sonderpreis.
Expertentalk: Wie nachhaltig ist Büroarbeit?
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