Gute Fachkräfte gewinnt man nicht nur über eine gute Bezahlung, sondern vor allem durch ein modernes Arbeitsumfeld. Dies ist eines der Kernergebnisse des Zukunftsforums 2018, zu dem das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) Ende Januar geladen hat. Die Praxisvorträge aus Wissenschaft und Wirtschaft zeigten vor allem eins: Viele Unternehmen haben bereits begonnen, Führungsstile und Arbeitsweisen neu zu denken.
Während des Vortrags von Sabine Woller hatten die Gäste des Zukunftsforums gleich mehrere Male schmunzeln müssen. Und ja: Das, was die junge Frau dort oben auf der Bühne mit viel Leidenschaft und Verve präsentierte, klang phasenweise nach einer Arbeitswelt für die Party-Generation. So erzählt sie von gemeinsamen Abenteuerreisen, die die Belegschaft regelmäßig nach Tirol oder Mallorca unternimmt. Sie referiert von einem umfangreichen Sportangebot, das sich zwischen Yoga- und Cardio-Trainings bewegt. Sie berichtet von den Mitarbeiterduellen an der Playstation 4, die im Gemeinschaftsraum direkt neben der Tischtennisplatte stattfinden.
So weit, so fancy: Doch trivago geht es augenscheinlich um mehr als nur darum, einen Arbeitsplatz mit möglichst hohem Fun-Faktor zu bieten. trivago will vielmehr eine agile Unternehmenskultur schaffen. Und das macht die Meta-Suchmaschine sehr erfolgreich.
So gibt es in den Düsseldorfer Büroräumen weder feste Schreibtische noch ein klassisches hierarchisches Führungsmodell. Auch von dem Dogma, Arbeitszeiten seien der Maßstab für Leistung und Produktivität, hat man sich verabschiedet: Effektivität erreiche man durch gute Zusammenarbeit. Und genau die wolle man mit diesen Modellen fördern, so Woller. Dabei machte sie auch deutlich, dass nicht jeder mit dieser Kultur klarkommt: Je mehr eingefahrene Muster existieren, desto schwieriger sei die Eingewöhnung. Eine Konsequenz daraus ist, dass die meisten Mitarbeiter bei trivago im Durchschnitt unter 30 Jahre alt sind. Anders ausgedrückt: Es werden Leute gesucht, die zur Kultur passen und diese leben wollen. Dies kann man gut oder schlecht finden. In jedem Fall wurde in diesem Vortrag eindrucksvoll deutlich: Traditionelle Arbeitsweisen sind eher ein Auslaufmodell.
Best Practices auf dem Fraunhofer-Zukunftsforum 2018
Dies gilt nicht nur für trivago: Laut einer aktuellen Studie der COMPUTERWOCHE verfolgen fast zwei Drittel aller Unternehmen eine dedizierte Strategie zur Umsetzung neuer Arbeitsplatzkonzepte. Einige dieser Konzepte wurden auf dem Fraunhofer-Zukunftsforum 2018, das Ende Januar in Stuttgart stattfand, präsentiert. So investieren nicht nur junge Technologieunternehmen wie trivago in die Flexibilisierung der Arbeit: Auch Firmen wie die Robert Bosch GmbH, Porsche oder die Continental AG haben längst den Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft eingeschlagen.
Dass diese etablierten Player andere Herausforderungen zu lösen haben als das junge Tech-Unternehmen trivago, ist unbestritten. Deutlich wird an dieser Entwicklung aber auch, dass kein Unternehmen an der Flexibilisierung von Arbeit vorbeikommt. Die Gründe dafür sind einfach: Megatrends wie die Digitalisierung, der demographische Wandel sowie der internationale Wettbewerb zwingen Unternehmen dazu, Arbeit neu zu denken. Sei es die Kommunikation bzw. die Zusammenarbeit im Team, das Aufbrechen von alten Führungskonzepten oder die Flexibilisierung von Arbeitszeiten: In den meisten Unternehmen wird mit Hochdruck an all diesen Baustellen gearbeitet.
Nicht weniger als ein Kulturwandel
Das Entscheidende dabei ist, dass man die Transformation der Arbeit vor allem als Transformation der Unternehmenskultur begreift. Oder anders: Die kulturelle Transformation geht der digitalen voraus.
Dadurch werden zugleich zwei Dinge deutlich:
- Die Transformation der Unternehmenskultur kann nicht allein durch die Umsetzung von Einzelmaßnahmen realisiert werden. So können Playstation, Kicker oder Open Spaces Teil eines modernen Office-Settings sein – sie sind aber nicht der alleinige Treiber von agilen Arbeitsweisen. Diese erfordern vielmehr das Zusammenspiel von Räumlichkeiten, Technologien und den Mitarbeitern.
- Die Schaffung des Arbeitsplatzes der Zukunft kann nur durch das Topmanagement erfolgen. Dieses muss ein entsprechendes Bewusstsein vorleben und etablieren. Ein Kulturwandel braucht Zeit und kann nicht von unten nach oben geschehen.
Auch die Unternehmensberatung Kienbaum hat dies erkannt: Hier wird die Flexibilisierung der Arbeit von der Geschäftsleitung vorgegeben; einzelne Maßnahmen werden identifiziert und dann gemeinsam mit den Mitarbeitern umgesetzt. Das Aufbrechen der alten Strukturen, verriet Fabian Kienbaum in seinem Vortrag auf dem Zukunftsforum, sei nicht immer leicht. Nur: Mit alten bzw. starren Denkweisen könne es einen Arbeitsplatz der Zukunft nicht geben.
Aus diesem Grund steht der Mitarbeiter im Fokus der Entwicklungen um neue Arbeitskonzepte: Ihn gilt es in Prozesse und den Wandel mit einzubeziehen. Dies unterstrich Adél Holdampf-Wendel vom Branchenverband Bitkom in ihrem Vortrag „Berufe für die Zukunft“: Darin machte sie darauf aufmerksam, dass sich durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung viele Berufe in den kommenden Jahren verändern werden.
Sie machte dabei auf den Aspekt aufmerksam, dass nicht Berufe wegfallen, sondern nur Tätigkeiten: Als Beispiel hierfür nannte sie einen LKW-Fahrer. Ist dieser heute noch vor allem für den Transport von Waren zuständig, werden zukünftig Tätigkeiten wie die Tourenplanung und das Management von Logistikdienstleistungen hinzukommen. Dabei wird er von intelligenten Systemen unterstützt.
Technologie als Kulturtreiber
Eine solche Verschiebung der Tätigkeiten lässt sich bereits in der Büroarbeit ablesen: Hier helfen heute bereits Technologien wie das elektronische Dokumentenmanagement dabei, Tätigkeiten zu automatisieren und Workflows zu flexibilisieren. Dadurch entstehen in Einkauf, Marketing, HR und Verwaltung zukünftig Freiräume, die von den Mitarbeitern genutzt werden können – oder besser müssen –, um an strategischen Themen zu arbeiten. Andersrum: Wer in seinem Bürojob hauptsächlich Sachbearbeitung betreibt, muss sich selbst fragen, ob diese Fähigkeit in Zukunft noch benötigt wird. Der Bitkom fordert daher entsprechende Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen. Denn: Der kulturelle bzw. digitale Wandel betrifft uns alle.
Der Arbeitsplatz der Zukunft ist daher in erster Linie eine Frage der Unternehmenskultur. IT-Technologien dürfen hier durchaus als Kulturtreiber verstanden werden, sie können aber nur ein Baustein des Ganzen sein. Vor diesem Hintergrund ist der Arbeitsplatz der Zukunft auch kein Ziel, das irgendwann erreicht ist. Kultur befindet sich schließlich immer im Wandel. Daher handelt es sich beim Digital Office eher um eine Richtung, die jedes Unternehmen einschlagen sollte, um die Dynamik der digitalen Transformation aufzugreifen.
Ob es am Ende die Playstation 4 oder der Betriebsausflug nach Mallorca ist, der dieser Kultur Ausdruck verleiht, sei dahingestellt. Unbestritten ist jedoch: Der Kulturwandel hat wie die Zukunft der Arbeit längst begonnen!